Seitenblicke
Äpfel mit Birnen
Rechnen sich Bildungshäuser
Die Rentabilität der Bildungshäuser insgesamt steht im Jahr 1996 plötzlich im Mittelpunkt der Diskussion. Der SVP-Abgeordnete Hans Berger hat dazu eine Anfrage im Südtiroler Landtag gestellt. Der Vorwurf taucht auf, dass Südtirols Bildungsleiter einfach so ins Blaue wirtschaften. Es folgt ein medialer Schlagabtausch, der die Sensibilität für Bildungsseelen vermissen lässt. Die Frage nach der Rentabilität von Fußballplätzen, Turnhallen und gar nicht zu reden von Frei- oder Hallenbädern wird dabei nicht gestellt.
Rechenschieber sucht Hausverstand
Bildung darf nichts kosten und keine Schulden verursachen
Im Jahre 2006 kämpft die Genossenschaft immer noch den würdelosen und zermürbenden Kampf gegen die aus der Bau- und Renovierungsphase entstandenen finanziellen Altlasten. Da taucht der Latscher Vizebürgermeister, Christian Stricker, mit dem Rechenschieber auf. Er rechnet vor, was Bildung kosten darf und was sie erwirtschaften muss. Diese Bildungsrechenstunde führt er bis im März 2008 fort. Sein einziges Ergebnis: die für den Bildungsbetrieb verantwortliche Direktorin ist zu teuer. Sie muss gehen! Allein seine Rechnung ist eine Ungleichung.
Stacheldraht im Bildungsgesetz?
Braucht Bildung Gesetze und wer soll sie machen
Solange Politiker und Bildungsmanager Bildung und Kultur allein unter dem wirtschaftlichen Aspekt betrachten, braucht es Bildungshäuser mehr denn je. Bildung und Kultur brauchen Freiräume und Experimentierfelder. Bildungsarbeit kann nicht festgenagelt werden in steifen und mumifizierten Gesetzen. Das Weiterbildungsgesetz von 1983 war eine bahnbrechende, innovative und mutige Leistung. Es hat Bildung in Südtirol in dieser Vielfalt ermöglicht. Es könnte Ansporn und Ehrgeiz sein, ein neues, dem völlig veränderten Bildungskosmos genügendes, zu entwerfen. Bildung braucht das fruchtbare, kritische Zusammenspiel von Beamten, Freigeistern, Philosophen, Menschen mit Feingefühl, Weitblick und dem Gespür für die Würde der Anthropologie. Wer der Bildung den Raum nimmt, um Purzelbäume zu schlagen, betreibt ihre Behinderung. Bildungsarbeit über Quantität, Ansuchen, Protokolle, Zertifizierungen und dergleichen zu maßregeln, verursacht die Verkümmerung des kritischen Potenzials. Der Slogan von der Investition in die Köpfe und nicht in die Strukturen erweist sich erst dann als nachhaltig, wenn die Köpfe einen Platz haben, wo sie denken können. Bildung muss als einzige Disziplin das Recht und die Verpflichtung haben, unangenehm, lästig, eckig zu sein, nachdem es Kunst schon lange nicht mehr ist.
Supermarkt
Alle gegen Alle
200 Teilnehmertage fehlen dem Schloss im Bildungsjahr 2007! Wo sind sie bloß geblieben? Eigentlich eine leichte Antwort in Anbetracht der aktuellen Situation auf dem heiß umkämpften Weiterbildungsmarkt. Der Wettbewerb ist hart und oft ungleich! Verbände, Vereinigungen, Vereine und Private überfluten den Markt mit Billigangeboten. Fast grenzt es schon an unlauteren Wettbewerb. Denn wie kann eine Bildungseinrichtung, die eine komplexe Struktur erhalten soll, mit einem Verein konkurrieren, der seine Kursteilnehmer von zu Hause aus in Schul- und Vereinslokale einlädt? Und wie kompatibel und kostenwahr sind von der EU lancierte Projekte, mit denen das Land überflutet wird. Dazu kommen Berufsschulen, Fachverbände und sogar Landesämter, die ihre eigenen Bildungsabteilungen haben. Viele Bildungsstrukturen bieten identische Kurse zu ganz anderen (wirtschaftlichen) Bedingungen an. Wenn über Bildungsarbeit das Damoklesschwert betriebswirtschaftlicher Hoffähigkeit lastet, dann muss auch von Kostenwahrheit geredet werden. Da drängt sich doch glatt die Frage auf: Wieviel neue Bildungseinrichtungen verträgt das Land? Braucht es eine Bildungsverträglichkeitsprüfung? Haben Zertifizierungssysteme für die Validierung ausgedient? Braucht es einfach Bildungs-Hausverstand?
Zukunft
Menschen mit Bildungscharakter
Das Bildungshaus Schloss Goldrain hat alle Höhen und Tiefen ehrlicher und engagierter Bildungsarbeit erlebt. Überleben konnte es bis jetzt, weil Menschen mit Charakter und Begeisterung es getragen haben und Bildungs-Politiker im letzten Moment die Tastatur der Ausgewogenheit zu spielen gewusst haben. Die dicken historischen Mauern, hinter denen bisher alle Bildungskunden sich “sauwohlgefühlt” haben, sind die Voraussetzung dafür, den harten und unermüdlichen Kampf um das Recht auf Bildung und die Freiheit derselben weiterzuführen. Allein deshalb braucht es das Schloss, als letzte Bastion in der Wikipediasierung von Bildung und Kultur.